Im Herbst 1994 besuchte ich die New York Film Academy für deren intensiven 16mm-Filmmaking Workshop. Im letzten Drittel dieser Zeit hatten wir Twens in Viererteams, zu denen wir zusammengefunden hatten, in rotierenden Positionen die Abschlussfilme zu drehen. Man selbst als Regisseur des eigenen Films war dann bei drei anderen Filmen entweder Beleuchter, Kamerafrau bzw. -mann oder Dolly Grip und hatte somit viel Gelegenheit, Erfahrungen zu sammeln.

Der dritte Kurzfilm, den wir in dieser Woche drehten, war Kee-Hwans herbstliche Fotografenlovestory „Change“. Dazu waren wir nach Upstate N.Y. gefahren und waren in Kee-Hwans großem Elternhaus untergekommen, das uns für die zwei Tage komplett zur Verfügung stand. Andy, Sergio und ich übernachteten in Schlafsäcken im Wohnzimmer. Völlig überdreht und übernächtigt und genau deswegen noch nicht in der Lage, einzuschlafen, suchten wir in der VHS-Videothek der Eltern von Kee-Hwan nach etwas, das wir uns noch ansehen wollten.

Sergio kannte „The Princess Bride“ nicht. Dieser Zustand konnte meinem energischen Plädoyer zufolge keine weitere Minute anhalten, die beiden waren einverstanden, und ich verfolgte ein weiteres Mal die Abenteuer von Westley, Buttercup, Inigo, Fezzik und Co. Gut gelaunt wartete ich schon darauf, im Anschluss mit Sergio den Film und seine vielen Zitate durchzugehen. Und dann sah ich aus dem Augenwinkel, dass ihm im letzten Viertel des Films die Tränen herunterliefen.

Wie das nun mal so ist — unter Männern ignoriert man das. Ich tat so, als hätte ich es nicht gesehen. Aber nachdem der Film zuende war, fragte ich ihn mit besonderem Interesse, wie ihm der Film gefallen habe.

Sein Vater sei bei einem Raubüberfall auf einem Parkplatz in Sao Paolo getötet worden, erzählte er, als er selbst noch klein war. Und deswegen hätte er mit angehaltenem Atem Inigos Geschichte einer 20jährigen Suche nach dem Mörder seines Vaters verfolgt und für ihn gehofft. Die von dem Schwertkämpfer immer wieder geübten Worte „Mein Name ist Inigo Montoya. Du hast meinen Vater getötet, jetzt bist Du des Todes“ hätten ihn im Finale des Films „richtig fertiggemacht“.

Viele können Geschichten erzählen, die sie mit Zitaten aus Goldmans Filmen in Verbindung bringen können. Mein eigenes Go-To-Zitat aus „Princess Bride“ ist viel harmloser als Sergios, es ist rein humorig; ich kann den Begriff „Wahre Liebe“ kindischerweise nicht hören, ohne mit diesem Zitat zu reagieren. Aber das Großartige an Goldmans Buch und Film ist, dass es (ähnlich wie Neil Gaimans „Sternwanderer“) den Humor nicht zu Lasten der inneren Anteilnahme der Geschichte gehen lässt — eine schwere Aufgabe, die den Meister fordert.

William Goldman hat sein Drehbuch auf der Grundlage seines Romans von 1973 nur zögerlich hergegeben, aber das zu erzählen, wäre hier überflüssig; alle Anekdoten rund um diesen Film und WGs weitere bekannte Großtaten wie beispielsweise „Butch Cassidy und Sundance Kid“, „Die Unbestechlichen“, „Die Brücke von Arnheim“ und „Misery“ sind hinlänglich bekannt oder nachzulesen. Dem Nachruf in der Washington Post ist, was einen Überblick über Werk und Leben angeht, nichts hinzuzufügen.

Ich schätze WG nicht nur seiner scharfzüngigen Beobachtungen der US-Filmwelt, sondern insbesondere wegen seiner Art, Charaktere mit den besonderen Mitteln des Drehbuchs nachdrücklich zum Leben zu erwecken. Gerade vorgestern schaute ich mir zum x-ten Mal „Butch Cassidy“ an, diesen ungeheuer mutigen Anti-Establishment-Western, der seine eigentlich nicht komplizierte Geschichte auch noch 50 Jahre später leichtgängig und überhaupt nicht angestaubt wirken lässt.

Dieser kurze Austausch zwischen Butch und Sundance auf ihrer Flucht hat Humor und sagt trotzdem viel über das Verhältnis der beiden aus:

Charakter Dialog
BUTCH Ich glaube, wir haben sie abgehängt. Glaubst Du, wir haben sie abgehängt?
SUNDANCE Nein.
BUTCH Ich auch nicht.

Versuchen Sie es selbst! Nicht auf einen Lacher hin zu schreiben, aber einen zu erzielen, ist richtig schwer!

Ganz ehrlich — nicht alle seine Drehbücher waren Treffer und/oder Kassenerfolge — „Chaplin“ und „Tollkühne Flieger“ sind für mich so mittel, mit dem „Marathon Mann“ kann ich nichts anfangen. Mit seinem eigenen zweiten Oscargewinn (für „Die Unbestechlichen“) war wiederum er nicht einverstanden, das Script sei zu oft von Dritten umgeschrieben worden. Dass Goldman die Frage des Erfolgs als Drehbuchautor im Filmgeschäft aber nicht auf Talent, sondern hauptsächlich auf Glück zurückführte (und den Mut hatte, das auch laut und deutlich zu sagen), ehrt ihn.

Es ist schön, Vorbilder zu haben, denen man nacheifern kann, die man aber nie erreichen wird.

Danke.

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