John Le Carré

Vorgestern schon ist er gestorben, eben lese ich davon … und vollständige, literarische und berufenere Nachrufe werden sicher (gerade im englischen Kulturkreis) bereits „in Hülle und Fülle“ zu lesen sein. Ich will lediglich auf ein paar seiner Werke (genauer gesagt: Verfilmungen seiner Werke) eingehen, die mich beeindruckt haben.

Le Carré (er schrieb zeitlebens unter diesem Pseudonym, weil es Mitarbeitern der Geheimdienste verboten war, unter ihren richtigen Namen zu veröffentlichen) ist es zu verdanken, dass das Bild, das die Gegenwartsliteratur von Spionageromanen hat, nicht ausschließlich vom Glam der Bond-Romane Ian Flemings geprägt ist. Trotz der unwirtlichen, un-glamourösen und verräterischen Welt, in der sich seine Charaktere bewegten, entwickelte sich über die Jahrzehnte eine treue Gefolgschaft an Lesern, deren Existenz wiederum dazu führte, dass Hollywood und Großbritannien sich seiner Bücher annahmen:

„The Russia House“ (mit Sean Connery und Michelle Pfeiffer, Regie: Fred Schepisi)

Genau zu dem Zeitpunkt, in dem die Welt meinte, das „Ende der Geschichte“ sei mit dem Ende des Kalten Ktrieges erreicht, und damit könnte man auch die Spionagegeschichten auf den Komposthaufen der Historie ablegen, erschien „Das Russland-Haus“, und zwei Jahre später die Verfilmung, die sich den besonderen Spaß leistete, Sean Connery in der Hauptrolle des literarischen Verlegers Barley zu besetzen. Dass der Hintergrund der Annäherung zwischen den Supermächten nur ein Vorwand für eine um so härtere Spionageauseinandersetzung ist, machen Buch und Film deutlich. Die sehr humanistische Auflösung der Geschichte ebenso wie der traumhafte Soundtrack machten mich auf Le Carré aufmerksam. Den „Spion, der aus der Kälte kam“ hatte ich nie gelesen.

„The Tailor of Panama” (mit Pierce Brosnan und Geoffrey Rush, Regie: John Boorman)

John Boorman ist einer meiner Lieblingsregisseure, und auch seine Verfilmung eines Le-Carré-Romans besetzt einen Ex-Bond in einer Hauptrolle. Der geltungssüchtige Womanizer Andrew Osnard, strafversetzt auf das Karriere-Abstellgleis Panama, treibt einen Ex-Kriminellen, der sich eine Existenz als Herrenschneider erschwindelt hat, dazu, als Informant erfundene Verschwörungen und Ereignisse weiterzugeben, und löst damit eine tragikomische Entwicklung aus. Wiederum ist es Le Carrés Verdienst, einem Berufsbild immer wieder neue und unerwartete Facetten zu geben und es „normal“ wirken zu lassen, ohne an Spannung einzubüßen.

„The Constant Gardener“ (mit Ralph Fiennes und Rachel Weisz; Regie: Fernando Meirelles)

Diesmal ist es weniger Spionage, aber internationale Intrige. Fiennes, ohnehin prädestiniert für gepeinigte Charaktere („Der englische Patient“, „Das Ende einer Affäre, „Der Vorleser“), spielt einen „ungeeigneten“ Helden, der über sich hinauswächst, als er den Tod der Frau, die er liebt, die er aber der Untreue verdächtigt, nicht verwinden kann. Er kommt einer Verschwörung auf die Spur, nach der ein Pharmaunternehmen an afrikanischen Patienten die Wirksamkeit eines Medikaments erprobt (mit hoher Todesrate), um die Marktreife schneller zu erreichen. Der Held gewinnt den Kampf höchstens moralisch, der Zynismus scheint stärker zu sein. Ein wenig habe ich mich davon für einen Handlungsstrang in „Und auf Erden Stille“ inspirieren lassen.

„A Most Wanted Man“ (mit Philip Seymour Hoffman und Rachel McAdams, Regie: Anton Corbijn)

Hauptsächlich in Deutschland spielt dieser Thriller rund um vermeintlich illegale Einwanderer, die als Terroristen verdächtigt werden, weil sie aus der mulimischen Welt stammen, und eine Frau, die ihnen hilft. Darüber thront PSHs Abteilungsleiter einer Anti-Terroreinheit mit dem Namen Gunther Bachmann, der im Spannungsfeld zwischen seiner Aufgabe und der sprichwörtlichen Loyalität zu Informanten hin- und hergerissen ist. Auch hier wúrde eine Geschichte ohne Happy End und mit stark desillusionierter Weltsicht zum kritischen und kommerziellen Erfolg.

“The Night Manager” (mit Tom Hiddleston und Hugh Laurie, Regie: Susanne Bier)

Es nimmt ja fast kein Ende … und ich habe nicht mal „Dame, König, As, Spion“ (in den Verfilmungen mit Alec Guinness resp. Gary Oldman) bisher gestreift, obwohl diese Geschichte es auch verdient hätte. Eine weitere sehr renommierte Regiegröße übernahm hier die Inszenierung einer sehr aufwendigen TV-Serie rund um einen Hotelmanager, der unfreiwillig in größere Zusammenhänge des Arabischen Frühlings gezogen wird.

Serien wie „Homeland“ wären ohne den Beleg des Sogs, den Geschichten wie die von Le Carré ausüben, nicht gedreht worden. Zu sehr widersprechen sie den Klischees dessen, was „das Publikum sehen will“. Und auch die Spione seiner Bücher sind, obwohl sie in den Konflikten über sich hinauswachsen, erfreulich klischeefrei. Ian McEwan äußerte sich wie folgt über Le Carré, als er ihn für den Booker Prize ins Gespräch brachte: „[Le Carré ist] der bedeutendste Romanautor Englands in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts”. Und wenn ihm bei dieser Einschätzung Größen wie Graham Greene und Philip Roth zustimmen, mag da etwas dran sein.

JLC ist am 12. Dezember im Alter von 89 Jahren gestorben.


Fotocredit JLC unter CC by 3.0

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