SWT -- American BeautyDas war (übersetzt) der Titel einer Anzeigenkampagne der Writers‘ Guild Of America (WGA). Ziel war es, das Publikum, dessen Wahrnehmung üblicherweise durch die Medien auf Regisseure und Schauspieler gerichtet wird, für die Arbeit der Drehbuchautoren zu sensibilisieren. Konsequenterweise hatte die Kampagne kein einziges Bild im Portfolio — nur Buchstaben.

Die Auswahl der Filme war sehr zweckmäßig: sie sollten Szenen enthalten, an die sich die Zuschauer erinnerten und dabei möglicherweise dachten, sie seien „spontan“ beim Dreh durch einen Einfall des Regisseurs, Kameramanns oder Schauspielers entstanden. Dabei sollte die Szene wie aus einem Gespräch beim Bier in der Kneipe zitiert wirken — kein Diskurs unter Filmwissenschaftlern.
Scott Roeben beschreibt die Idee hinter der Kampagne:

In Esquire fand ich einen Artikel von Tom Carson, in dem er seine Gedanken beschrieb, die ihn nach dem erneuten Sichten von „Flucht in Ketten“ beschrieb. Er lobte den Film aus den mir sehr einsichtigen Gründen: Gadgets, Action und dem Triumph des Willens gegen jede Chance. Carson konzentrierte sich dabei auf die berühmten Momente, in denen Steve McQueen immer dann ein Ritual durchführt, wenn er in Einzelhaft geworfen wird. Sein Baseball wird zum Symbol seines Widerstands gegen die deutschen Wächter: „Wenn man sich mal vor Augen führt, wieviele ermüdende Reden zum Thema des unbezähmbaren menschlichen Geist dieser Baseball, der bonk-bonk-bonk gegen die Wand geht, uns erspart hat“, schrieb Carson, „ist man dem dankbar, der sich das ausgedacht hat. Durchaus möglich, dass das McQueen war; der wusste eigentlich immer sehr genau, was für ihn gut funktioniert hat.“

Dieser Kommentar machte mich aufmerksam. Da ich fünf Jahre in der PR-Abteilung der WGA gearbeitet hatte und dabei die Arbeit der Autoren zu verteidigen zu meiner Aufgabe geworden war, war es zu einer Art Reflex geworden, auf abfällige Kommentare gegenüber Autoren zu reagieren. Von denen gibt es ja stets genug.

SWT -- Flucht in KettenDas wollte ich rausfinden; ich besorgte mir das Drehbuch zu „Flucht in Ketten“. Dabei kämpfte ich allerdings mit einem nagenden unguten Gefühl; ich könnte mich ja geirrt haben. Diese Sache mit dem Baseball wirkte so natürlich, so improvisiert, das konnte doch nicht so im Drehbuch stehen?

[…] Nach ein paar Minuten des Blätterns stieß ich jedoch auf diese Zeilen:

IVES‘ ZELLE — IVES läuft ruhelos umher. Von außen ist ein merkwürdiges GERÄUSCH zu hören. Ein nervendes, regelmäßiges „plink-plank-plonk-smack“. Ives schaut genervt auf die Wand, reißt sich zusammen und wandert weiter umher.
HILTS‘ ZELE — HILTS sitzt auf dem Boden der Betonzelle und spielt ein kompliziertes Wurfspiel mit Ball und Handschuh. Er ist sehr geschickt mit seinen Würfen gegen die Wände, und die Aufschläge erzeugen einen regelmäßigen Rhythmus.

Auch auf der nächsten Seite war es zu lesen, […] das „Plink-plank-plonk-smack.“ Es fällt mir schwer, in Worte zu fassen, wie erhebend es war, das zu lesen. Nicht nur war die Geste mit dem Baseball im Skript, sondern auch der charakteristische Ton.

Roeben hat recht. In der Tat ist die Arbeit guter Drehbuchautoren als erstes und oft entscheidendes Glied in der Kette kreativer Arbeiten, die zu einem guten Film führen, zu oft zu wenig beachtet. Das ist bei uns nicht anders als in den USA.

SWT -- Basic InstinctWoran liegt das? Daran, dass Drehbuchautoren mit der Bewerbung des Films nach Fertigstellung nur noch wenig zu tun haben? Daran, dass die Regisseure gerne ihre Arbeit als „Autor des Films“ hervorheben und sich, ganz entsprechend Kieslowskis sechstem Gebot, alle Ideen eines Films zu eigen machen wollen und müssen?
Oder gibt es, ganz provozierend gefragt, hier im Land des Fernsehspiels zu wenige visuell eindrücklich schreibende Autoren, die zum Zug kommen?